Integration von Neu-Darmstädtern zu fördern, Begegnungen auf Augenhöhe zu schaffen sowie Teilhabe und Gleichberechtigung zu ermöglichen: Das sind die Ziele des Modellprojekts „WIR sind DA! Darmstadt für Neubürger:innen“. 2021 wurde das Projekt von der PaSo gGmbH, einer gemeinnützigen Gesellschaft für partizipative Sozialarbeit mit Sitz in Darmstadt, ins Leben gerufen. „Unsere Intention war und ist es, Möglichkeiten für Bürger zu schaffen, sich in der Stadt zu integrieren“, erklärt Projektleiterin Nele Keth. „Angesprochen sind besonders Menschen mit Flucht- und Migrationshintergrund, die das Gefühl haben, noch nicht richtig angekommen zu sein. Menschen, die den Wunsch verspüren, mehr in Kontakt mit anderen zu kommen und Darmstadt besser kennenzulernen.“
Das Projekt gründet auf den fünf Themen-Bausteinen „Stadtgeschichte“, „Umwelt, Natur, Klimaschutz“, „Nachhaltigkeit“, „Kunst, Kultur“ sowie „Wirtschaft“ und arbeitet in Kooperation mit verschiedenen Instituten wie der Darmstädter Geschichtswerkstatt, dem Hofgut Oberfeld oder dem Staatstheater. „Begonnen hat die Projektarbeit mit dem Baustein ,Stadtgeschichte‘ und damit, dass Menschen angefragt wurden, sich ehrenamtlich zu beteiligen“, erzählt Nele. Aus den Teilnehmern wurden, aufgrund ihrer Fähigkeiten oder Interessen, schließlich Tandems gebildet – Gruppen von zwei oder drei Menschen, bestehend aus Alt- und Neubürgern. „Es gab ein Kennenlernen und dann sind die Gruppen losgezogen mit der Möglichkeit, die Stadt gemeinsam zu erkunden“, so Keth. Zu den typischen Projektinhalten gehören laut der Leiterin bis heute historische Stadtrundgänge, Theaterführungen hinter den Kulissen, Museumsbesuche oder Workshops, unter anderem an der Akademie für Tonkunst oder auf dem Hofgut Oberfeld. „Auf dem Oberfeld bewirtschaften wir auch einen eigenen Saisongarten.“ Neu hinzugekommen ist vor Kurzem eine Kreativwerkstatt, die laut Nele von geflüchteten Frauen aus der Ukraine angeregt wurde: „Hier nehmen mittlerweile schon bis zu 15 Menschen teil. Die Werkstatt wird gut angenommen.“
Hürden überwinden
Projektteilnehmerin Tetiana Herasymenko hat auch schon in der Werkstatt mitgearbeitet. Die 23-Jährige kam vor knapp zwei Jahren nach Deutschland. Das „Wir-Projekt“ hat ihr geholfen, Anschluss in der Stadt zu finden, wie sie sagt. Erstmals davon gehört, hatte sie im vergangenen Jahr. Sie absolvierte damals einen Deutschkurs an der TU Darmstadt und erfuhr von Kommilitonen von der PaSo gGmbH. „Daraufhin haben sich gleich mehrere Leute aus meinem Kurs zum Projekt angemeldet. Das ist der Grund, dass so viele in unserem Alter dabei sind.“ Die Schwierigkeit, wenn man in ein fremdes Land kommt, liegt laut Tetiana vor allem darin, sich zu integrieren, „normale“ Dinge zu tun wie ins Theater zu gehen, die Stadt kennenzulernen, die Sprache zu sprechen – alles sei mit Hürden verbunden. „Das Projekt und der Austausch hat den Zugang zu all dem sehr erleichtert. Ich bin dankbar für die Möglichkeit, hier mitmachen zu können.“ Mittlerweile konnte Tetiana auch schon ehrenamtlich als Deutschlehrerin aushelfen. Nachdem sie den C1-Kurs beendet hatte, ist sie als Lehrerin für A1 eingesprungen, da der Bedarf hier sehr hoch war. Aber nicht nur das: „Durch das Projekt habe ich viele neue Menschen kennengelernt und schon an zahlreichen Aktivitäten teilgenommen“, so die junge Frau.
150 Teilnehmer hat das „Wir-Projekt“ der PaSo gGmbH bisher direkt erreicht, berichtet Nele Keth. „Außerdem gibt es mehrere hundert indirekte Partizipationen und etwa 50 Personen, die ständig im Sprach-Tandem aktiv sind.“ Ob Theaterführungen, Workshops oder Stadtrundgänge: In der Regel ist der Andrang relativ groß, bis zu 20 Personen sind laut der Projektleiterin regelmäßig dabei.
Alle sind willkommen
„Die Menschen kommen aus ganz unterschiedlichen Herkunftsländern: aus Somalia, Bosnien, Spanien, dem Iran oder Syrien.“ Teilnehmer Atiqullah Zarifi stammt aus Afghanistan. Er und sein Bruder haben sich dem „Wir-Projekt“ angeschlossen, weil sie in Deutschland niemanden kannten. Sie erfuhren im Internet von PaSo und dem Angebot. Atiqullah trifft sich nun regelmäßig mit seinem Tandempartner Michael, der ihm hilft, Deutsch zu lernen. Sein Bruder nimmt, als gelernter Schneider, an Workshops zum Thema Nähen teil. „Das alles hat uns sehr geholfen. Wir wussten nicht, wie es hier funktioniert und so konnten wir die Dinge besser kennenlernen“, meint Atiqullah.
Noch ist „WIR sind DA! Darmstadt für Neubürger:innen“ ein Modellprojekt, gefördert aus Mitteln des Hessischen Ministeriums für Soziales und Integration und der Wissenschaftsstadt Darmstadt. „Umgesetzt wird es von PaSo in Kooperation mit dem Amt für Vielfalt und internationale Beziehungen der Stadt. Zudem wird es von der Technischen Universität begleitet und evaluiert“, erläutert Nele. Das Projekt laufe noch bis Ende 2024, Ziel der PaSo gGmbH sei es aber, es langfristig anbieten zu können. „Dafür sind wir auf verschiedenen Wegen bemüht, die Finanzierung für 2025 sicherzustellen. Eine Verstetigung ist sowohl von den Teilnehmer:innen als auch von PaSo absolut gewünscht.“
In diesem Jahr beschäftigen sich die Teilnehmer vordergründig mit den Themen Wirtschaft, Nachhaltigkeit sowie Kunst und Kultur. Außerdem möchte man Menschen, die eine Migrationsbiografie haben und Gründer sind, aufrufen, sich zu melden und der Gruppe von ihren Ideen und ihrem Weg zu erzählen. Generell sei im „Wir-Projekt“ aber jeder willkommen, so Nele: „Alle, die Interesse haben, mitzuwirken, egal ob zugewandert oder alteingesessen, können sich bei uns melden, um in das Projekt einzusteigen.“
Hintergrund und Kontakt
Die PaSo gGmbH wurde im Jahr 2017 in Darmstadt gegründet und setzt sich seitdem als Träger für politische Sozialarbeit für Menschen und deren gleichberechtigte Teilhabe ein – sowohl im Bereich der Wohnungslosenhilfe als auch im Bereich der Flucht- und Asyl-Sozialarbeit. Dabei gehe es immer darum, Barrieren aufzuzeigen und ihnen entgegenzuwirken, „also Öffnungsprozesse anzustoßen“. Die Projektarbeit schaffe Räume für Menschen, ihre Fähigkeiten, ihre Ideen in Darmstadts Stadtgesellschaft einzubringen und erhöht damit die Partizipation. „Die Basis für das Ankommen in einer Stadtgesellschaft bilden Dinge wie Wohnraum, eine gesicherte wirtschaftliche Lebensgrundlage und berufliche Perspektive zu haben, doch Teilhabe geht viel weiter: Teilhabe an Kunst und Kultur, an stadtgesellschaftlichen und politischen Entwicklungen, die selbstverständliche Nutzung des Sozialraums und vor allem der Kontakt zu Menschen, die bereits lange in der Stadt leben.“ Die Projektarbeit von PaSo ermöglicht es laut Projektleiterin Nele Keth, Räume zu öffnen und die Mitbestimmung von Menschen zu fördern, sodass sie mitgestalten, Ideen und eigene Fähigkeiten einbringen können. „Das ist unser Wunsch.“
Kontakt für zukünftige Projektteilnehmer: projekt@paso-ggmbh.de, (06151) 9067702